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#NCCRWOMEN Portrait - Yeji Kim

(Foto: Yeji Kim)

Yeji Kim erwarb ihren Bachelor- und Doktortitel am Korean Advanced Institute of Science and Technology. Nach ihrer Promotion wollte sie ihre wissenschaftliche Expertise erweitern und das Arbeitsumfeld im Ausland kennenlernen. So begann sie 2017 einen Postdoc in der Gruppe von Sebastian Leidel, als sich sein Labor noch in Münster (Deutschland) befand. Das Labor wurde 2019 an die Universität Bern verlegt, wo sie seither arbeitet. In ihrem Postdoc untersucht sie neuartige Mikroproteine und deren Funktion in der Neuroentwicklung von Wirbeltieren.

Yeji, was hat dich dazu inspiriert, Wissenschaftlerin zu werden?
Als Kind hatte ich eine Enzyklopädie von Wildblumen und Bäumen, und es machte mir Spass, mir die Namen zu merken und die Pflanzen in der Natur zu finden. Die Leute sagten mir oft, dass ich Biowissenschaftlerin werden sollte, weil ich das ziemlich gut konnte. Ich wusste nicht einmal, was eine «Biowissenschaftlerin» war, aber ich dachte, dass ich das werden wollte. Ich dachte, dass ich so auf Exkursionen gehen und Blumen und Bäume beobachten könnte- etwas ganz anderes als das, was ich jetzt mache.

Wenn du nicht Wissenschaftlerin wärst, was wärst du dann?
Ich wäre wahrscheinlich Schriftstellerin oder Journalistin. Ich habe immer sehr gerne geschrieben und war gut darin. Ich führe ein Tagebuch, habe während meiner Doktorarbeit einige wissenschaftliche Kolumnen für die Öffentlichkeit geschrieben und sogar Kurzgeschichten verfasst. Ich träume davon, Soft-Science-Fiction-Geschichten zu schreiben, in denen die Hauptfigur ein Wissenschaftler ist.

Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus? Was magst du am meisten und was am wenigsten daran?
An einem typischen Tag arbeite ich morgens im Labor und mache gegen 15 Uhr Schreibtischarbeit (Analysen, Lesen und Schreiben). Am liebsten sitze ich vor dem Mikroskop und mache Immunofluoreszenzbilder. Ich bin fasziniert von der Multicolor-Bildgebung, und diese schönen Bilder sind meine Lieblingsdaten für Publikationen. Wenn ich am Ende des Tages alle Punkte auf meiner Aufgabenliste abgehakt habe, fühle ich mich zufrieden und glücklich. Das, was ich am wenigsten mag, ist die Vorbereitung von Präsentationen. Ich präsentiere gerne, aber ich mag es nicht, die Präsentationsdatei zu erstellen, da ich immer das Gefühl habe, dass ich nicht gut im Gestalten der PowerPoint-Präsentation bin.

Was ist die wichtigste Frage, die du mit deiner Forschung beantworten willst?
Mein Projekt zielt darauf ab, neue kodierende Regionen zu finden, die bisher noch nicht identifiziert wurden. Dann möchte ich die Funktionen von den Mikroproteinen, die aus diesen Regionen codiert werden, charakterisieren- insbesondere in Bezug auf die Neuroentwicklung von Wirbeltieren. Es ist eine Art Puzzlespiel mit den fehlenden Teilen des Wissens über biologische Prozesse.

Was fasziniert dich am meisten an deinem Forschungsthema?
Das Faszinierendste an meinem Projekt ist die Neuartigkeit. Dieses Gebiet ist erst kürzlich entstanden, und es gibt noch viel Raum für Entdeckungen. Man muss unabhängig sein und sich selbst herausfordern, um Experimente durchzuführen, Daten zu interpretieren, Teammitglieder zu finden und die Forschung zu leiten. Ich habe Schwierigkeiten erlebt, aber es ist auch spannend, diese Hürden zu überwinden. Faszinierend an meiner Forschung ist auch, dass ich ein völlig unbekanntes, neuartiges Protein untersuche, das noch keinen Namen hat, und ich darf es benennen!

Was sind einige der aufregendsten wissenschaftlichen Entdeckungen, an denen du mitgewirkt hast?
Das Protein, das ich derzeit charakterisiere, hat noch keinen Namen. Es war nicht bekannt, ob es existiert oder nicht, und ich bin die erste Person, die dieses unbekannte Protein untersucht. Ich werde diesem Protein im Zuge von der Veröffentlichung der Forschungsresultate einen Namen geben.
In meinem Promotionsprojekt habe ich in Zusammenarbeit mit einem Krankenhaus eine seltene genetische Störung namens Citrin-Mangel untersucht. Sie tritt nur selten auf, und die meisten Patienten sind Ostasiaten (Koreaner, Japaner, Chinesen), so dass die Forschung zu dieser Krankheit bisher begrenzt war. Ich habe von Patienten stammende Stammzellen verwendet, um den zugrundeliegenden Mechanismus des Krankheitsbildes zu untersuchen, und konnte so zum Verständnis der Krankheit beitragen.

Was sind Vorteile und Herausforderungen der Arbeit in einem kollaborativen Umfeld?
Der grösste Vorteil der Arbeit in einem kollaborativen Umfeld besteht darin, dass man andere Meinungen zu hören bekommt und die Möglichkeit hat, seine Forschung zu verbessern. Ich habe festgestellt, dass dies mehr Vorteile als Herausforderungen mit sich bringt.

Wie bleibst du motiviert und wie überwindest du Hindernisse bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschung?
Für mich ist Überarbeitung kein grosses Problem. Aber wenn meine Forschung ins Stocken gerät und ich nichts anderes zu tun habe, als im Büro zu sitzen und mich nutzlos zu fühlen, ist das für mich ein grösseres Problem und demotivierend. Ich versuche, mich selbst zu ermutigen, indem ich jede kleine Leistung, die ich im Labor erbringe, wertschätze.

Was würdest du deinem jüngeren Ich über eine wissenschaftliche Karriere sagen?
Du musst nicht unbedingt den Doktortitel möglichst schnell erlangen. Und man muss auch nicht alle anderen Ideen oder Aktivitäten (die nicht unbedingt direkt mit der Wissenschaft zu tun haben) aufgeben, weil man sich denkt, dass es zu lange dauert, dass es nicht mit dem Promotionsprojekt vereinbar ist, oder dass man sich einzig nur auf die Forschung konzentrieren sollte...

Was machst du gerne ausserhalb des Labors?
Ich gehe gerne in Museen, und zwar nicht nur in die grössten Museen, die man in Europa besuchen kann, sondern auch in kleinere lokale Museen, um die Werke weniger bekannter Künstler zu sehen. Während der Pandemie habe ich auch angefangen zu backen; ich finde, dass Backen ein gutes Hobby ist, besonders für Wissenschaftler. Beim Backen erhält man ein Ergebnis, wenn man das Protokoll befolgt- was bei einem Experiment nicht unbedingt der Fall ist...

Kannst du einige der Herausforderungen beschreiben, mit denen du als Wissenschaftlerin konfrontiert warst, und wie du diese gemeistert hast?
Manchmal ist man mit Kollegen oder Vorgesetzten konfrontiert, die bereits davon ausgehen, dass man seiner Karriere keine Priorität einräumt, weil man heiraten, Kinder bekommen und eine Karrierepause einlegen wird. Es gab Zeiten, in denen ich das Gefühl hatte, dass ich schon von Anfang an vom Wettbewerb ausgeschlossen war. Ich kann keine spezifische Lösung nennen, wie ich das überwinden konnte- aber ich habe weiter verfolgt, was ich tun wollte, und habe manchmal versucht, mich nach aussen hin zu zeigen und hervorzustechen, auch auf eine Art und Weise, die vielleicht ein wenig aggressiv wirkt. Aber ich wollte zeigen, dass es mir mit dem, was ich tue, ernst ist.

Konntest du anderen jungen Frauen, die eine Karriere in den Biowissenschaften anstreben, als Mentorin zur Seite stehen, und falls ja, was hast du aus diesen Erfahrungen gelernt?
Ich hatte einige Gelegenheiten, mit jüngeren Frauen zu sprechen, die ein Doktoratsstudium anstrebten, und ich habe einmal eine Erfahrung gemacht, die ich immer noch bereue. Ich war Doktorandin und hatte mit meiner Forschung zu kämpfen. Ich erzählte dieser jungen Frau nur negative Dinge und von den Herausforderungen des Doktoratsstudiums. Rückblickend war es eine schwere Zeit für mich, aber ich hätte sie nicht entmutigen dürfen. Eines behalte ich nun im Hinterkopf: Entmutige niemanden unter dem Vorwand, die «ehrlich» zu sein.

Welche Rolle spielt deiner Meinung nach das Mentoring in der Wissenschaft?
Wir können uns von Wissenschaftlern aller Geschlechter in Bezug auf die Wissenschaft inspirieren oder beraten lassen, aber nicht immer in Bezug auf das Leben. Man kann lernen, indem man Ratschläge von erfahrenen Frauen in diesem Bereich annimmt und sieht, wie sie ihr Leben in verschiedenen Phasen und Situationen meistern. Man kann sich inspirieren lassen und sich auf seine Zukunft vorbereiten, indem man das, was man von jemandem lernt, der es bereits getan hat, direkt umsetzt.

Welchen Rat würdest du jungen Frauen geben, die Mentoren oder Vorbilder in ihrem Interessengebiet suchen?
Es gibt kein perfektes Vorbild, das alle Aspekte perfekt erfüllt, von dem man alles abschauen kann und lernen möchte. Aber man kann verschiedene Frauen mit unterschiedlichen Stärken kennenlernen und schauen, was zu dir passt.

Glaubst du, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft anders wäre, wenn mehr Frauen in Führungspositionen wären?
Ja, letztlich ist es in der Wissenschaft nicht anders als in anderen Gemeinschaften. Hätten wir mehr Frauen in Führungspositionen, gäbe es auch mehr unterschiedliche Vorbilder, wie man das Leben lebt. Das würde dazu führen, dass weniger Frauen die Wissenschaft verlassen würden.

Was würdest du jungen Frauen raten, die Naturwissenschaften studieren?
Wenn ihr die Wissenschaft mögt und sie studieren wollt, glaubt an euch selbst und macht weiter. Hört nicht auf jemanden, der sagt, dass Frauen nicht gut in Mathematik oder Naturwissenschaften sind oder es schwer haben, in MINT-Fächern erfolgreich zu sein... Ich weiss nicht, ob es heutzutage noch Leute gibt, die das sagen, aber das wurde mir als Schülerin oft gesagt.

 

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Im Rahmen der Kampagne #NCCRWomen stellen wir Forscherinnen des NFS RNA & Disease vor. Mehr über die Kampagne erfahren Sie auf YouTubeTwitter oder Instagram.

(Übersetzt aus dem Englischen)

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