- Als «genetischer Code» wird die molekulare Sprache bezeichnet, mit welcher die Zellen die Informationen des Erbguts in Proteine übersetzen
- Die DNA besteht aus den Nukleobasen A, T, C und G
- DNA Sequenzen sind Abschnitte mit einer bestimmten Reihenfolge von Nukleobasen
- Proteine sind Ketten aus Aminosäuren
- Boten RNAs sind eine Art «mobile» Kopien von DNA Abschnitten, welche die Informationen aus dem Zellkern zu den Proteinfabriken im Zytoplasma transportieren:
- Ribosomen sind Proteinfabriken, welche den genetischen Code lesen und in Proteine übersetzen
Demnach speichert ein Abschnitt auf einem Erbgut mit einer bestimmten DNA Sequenz immer die gleiche Information ab, sowohl innerhalb des eigenen Erbguts, wie auch in allen anderen Lebewesen. Aus diesem Grund können Forscher genetische Informationen innerhalb des Erbguts oder sogar von einem auf das andere Lebewesen verschieben, ohne dass dabei die Information verloren geht oder verändert wird. Das ist praktisch: so können zum Beispiel menschliche Proteine in Bakterien produziert werden, wie im Fall des viel verwendeten Insulins, das zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird.
Die molekulare Sprache als Schlüssel des Lebens
Wie Du hier gelesen hast, ist die Information eines Proteins – also seine Aminosäuresequenz – in allen Lebewesen als Abfolge von sogenannten Triplettcodes auf der DNA gespeichert. Diese Triplettcodes werden Codons genannt. Jedes Codon besteht aus jeweils drei DNA Bausteinen, den Nukleobasen. Mit den vier existierenden DNA Bausteinen – A, T, C und G – lassen sich 4 x 4 x 4, also 64, verschiedene Tripplettcodes/Codons kombinieren. 61 dieser Codons stehen für eine der 20 Aminosäuren. Es gibt also für gewisse Aminosäuren mehrere Codierungsmöglichkeiten. Nun, welche Information speichern denn die 3 übrigen Codons? Diese haben eine besondere Funktion und codieren für keine Aminosäure – dachte man jedenfalls, aber dazu bald mehr – sondern sie bestimmen das Ende einer Aminosäureseqenz. Etwa so wie der Punkt am Ende dieses Satzes. Deshalb werden diese 3 Codons auch STOP-Codons genannt. Das ist ziemlich wichtig, denn nur wenn ein STOP Signal vorhanden ist, beendet die Proteinmaschinerie die Synthese der Aminosäurekette an der richtigen Stelle.
Entdeckung neuer Dialekte – Wimpertierchen als kleine Regelbrecher
Wie in der Grammatik, gibt es auch in der molekularen Sprache Ausnahmen. Bereits in den 1980er Jahren haben ForscherInnen herausgefunden, dass einige Organismen mit einem leicht abgeänderten molekularen Dialekt sprechen. So haben sie gezeigt, dass eine bestimmte Art von Wimpertierchen zwei der normalerweise als STOP-Codons bekannten Tripplettcodons nicht als STOP verwenden, sondern als Codierung für eine der 20 Aminosäuren. Anders als angenommen stand da also kein Punkt, sondern ein weiterer Buchstabe. 30 Jahre später haben nun WissenschaftlerInnen der Universität Bern noch ein weiteres und ziemlich verrücktes Geheimnis der Sprache von Wimpertierchen gelüftet. Ein und dasselbe Wort kann unterschiedliche Bedeutungen haben, je nachdem in welchem Kontext dieses Wort steht. Die vermeintliche Zweideutigkeit kennen wir auch in unserer Sprache. Aber genauso wie wir beim Bäcker niemals einen Einwohner aus Berlin über die Theke gereicht bekommen, wenn wir einen Berliner bestellen, interpretiert die Zelle die Tripplettcodes je nach Zusammenhang entweder als Aminosäure oder als STOP. Die WissenschaftlerInnen konnten zeigen dass die „universellen“ STOP-Codons in zwei Arten von Wimpertierchen – je nachdem wo sie stehen – auch für eine Aminosäure codieren können. Der Kontext, ob es sich um ein STOP oder um eine Aminosäure handelt, wird nicht auf der Ebene der DNA festgelegt, sondern auf der Ebene der Boten-RNA von der Proteinmaschinerie erkannt.
Auf den Spuren der Evolution
Für die Wissenschaft sind diese Erkenntnisse interessant, denn sie zeigen, dass – wie alle zellulären Vorgänge - auch die genetische Sprache einer Evolution unterliegt. Möglicherweise stellen genau diese Wimpertierchen einen Übergang in der Evolution des genetischen Codes dar und helfen dabei zu verstehen, wie sich in einigen Arten unterschiedliche Dialekte entwickeln konnten. Und so beginnen wir zu begreiffen, dass, wie unsere Sprache, auch die molekulare Sprache eindeutig zweideutig ist.
Original Publikation von Swart et. al.: https://doi.org/10.1016/j.cell.2016.06.020